Meine Güte.
Also kohärente/detaillierte Gedanken dazu sind aufs erste schwierig zu fassen; dieser Film möchte sicherlich auch mehrmals gesehen und in aller Ruhe geistig verarbeitet werden. Daher vorerst mal stichwortartig:
Auf emotionaler Ebene hat das Rebuild-Ende meine (zugegebenerweise nicht allzu hohen) Erwartungen durchaus (deutlich?) übertroffen.
Auch in Sachen Bildgestaltung hätten sich die zweieinhalb Stunden Laufzeit für mich auch von allein ausbezahlt. Atemberaubende Panoramen und eindrückliche Einstellungen gibt es hier zuhauf, hab während dem Film auch gut 50 Screenshots gespeichert. Kann mir kaum vorstellen, wie sich das in einem IMAX ansehen/anfühlen muss. Allerdings stechen die CGI Actionszenen trotz spektakulärer Inszenierung immer noch ein klein wenig unbequem hervor.
Wird beim «Fandom» zweifelsohne polarisierend ankommen, aber was soll man bei Evangelion auch anders erwarten. Die Meinung von Leuten, die sich nach 25 Jahren noch immer über Waifu Wars streiten können, kümmert mich ohnehin furchtbar wenig.
Im Vergleich zum dritten Rebuild leider wieder vermehrt überflüssige Fanservice-Shots. In der Serie wurde Nacktheit noch generell unsexy dargestellt und fand stattdessen als aussagekräftiges Motiv der Verwundbarkeit seinen Zweck, bei den Rebuilds kann ich jedoch auch bei grosszügiger Interpretationsfreiheit nur teilweise einen sinnvollen Zweck erkennen. Die ganzen Crotch-Shots von Asuka und Mari sind auf jeden Fall unnötig.
Auf kommerzieller Ebene wird diese Franchise sicherlich noch bis ans Ende aller Zeiten ausgeschlachtet werden (ein kleiner Teil meiner Seele stirbt jedes Mal, wenn ich Rei oder Asuka in einer Kosmetik-Reklame sehen muss), trotzdem hat Anno mit diesem Film dem Evangelion-Mythos auf emotionaler, erzählerischer und thematischer Ebene nun einen definitiven, endgültigen Schlusspunkt gesetzt. Worüber ich doch recht glücklich und sogar ein wenig stolz bin auf Anno.
Trotzdem kann 3.0+1.0 das Ende von 1997 sicherlich weder ersetzen noch übertreffen, was aber auch nicht Sinn und Zweck der Sache ist. Ich vermute, die beiden Film werden für mich erst in einer dialektischen Beziehung ihr volles Potenzial entfalten. Sowohl Gegenpol als auch Spiegelbild, Yin und Yang, Apokalypse und Wiedergeburt. (Das war übrigens auch schon meine Einstellung zum viel gescholtenen Ende des Mangas; nun haben wir eben eine animierte Version davon.)
In Sachen Biss, Ambivalenz und purer Dreistigkeit hat das 90er Ende sicherlich die Nase vorn, aber im Jahre 2021 macht das Anno zumindest teilweise mit ernüchternder Reife wieder wett.
Das erste Drittel ist in einem überraschend bodenständigen slice-of -life Stil gehalten und zusammen mit den letzten 15-20 Minuten womöglich sogar mein Lieblingsteil des Films. Ab dem zweiten Drittel wird die Geschichte in typischer Evangelion-Manier schnell wieder praktisch unverständlich kompliziert, zumindest was Plot und Worldbuilding angeht. Nun gut, wer Evangelion für Plot schaut, hat sowieso schon verloren, und die Unbegreiflichkeit der Welt von Evangelion macht ja auch einen Teil des Reizes der ursprünglichen Serie aus. Vielleicht ist der esoterische Maximalismus in diesem Fall aber doch etwas überzogen, oder zumindest wird etwas zu viel Zeit in Action set pieces mit unergründbarer Logik investiert.
Die Songs von Utada Hikaru bewähren sich als ideale musikalische Begleitung für die Abspanne der Rebuild Streifen. Bin von One Last Kiss ja schon seit Release der Single genau so begeistert wie von Beautiful World, im Kontext des Films ist das alles aber noch einmal wirkungsvoller.
Andererseits bleibt der Versuch, einen solch überwältigenden cineastischen Meilenstein wie die «Komm, süsser Tod» Szene erfolgreich zu reproduzieren, etwas halbherzig. Zumindest fehlt es dem dramatischen Höhepunkt von 3.0+1.0 an entsprechender musikalischer Untermalung mit Kultpotenzial. Ist in gewisser Sicht aber Meckern auf höchstem Niveau, denn auch dieser Film ist mit alltäglichem Kino überhaupt nicht zu vergleichen.
Misato und Shinjis Umarmung ist <3