Das Seminar zur, Prävention häuslicher Gewalt, fand langsam sein Ende durch den Oberrichter Herr Buchs: ,,Wir legen sehr viel Wert auf die Bürde des Menschen. Deswegen fällen die meisten Gerichte innerhalb von 24h, nach einer Anzeige von häuslicher Gewalt, ein Urteil. Ausserdem wird der Kontakt zwischen Opfer und Täter, während der Verhandlung auf ein Minimum reduziert, um die Sicherheit des Opfers zu gewährleisten. Die Opfer werden vom Gericht und Staat unterstützt. Vielen Dank." Von den Polizisten und Richter trat Jubel hervor. Als es still wurde, stand mein Arbeitskollege Herr Caron auf dem Rednerpult ,,Vielen Dank Herr Oberrichter Buchs", um seine Nervosität zu überwinden, nahm er einen grossen Schluck Wasser und fuhr fort ,,Hat vielleicht jemand von Ihnen noch Fragen oder will vielleicht etwas dazu sagen?" Die Aufmerksamkeit richtete sich auf mich, als ich meine Hand hob ,,Ja bitte Frau Richterin Elke" ,,Also nach Angaben des schweizerischen Familienministeriums herrscht in ca. 56% der Familien Häusliche Gewalt. Jedes Jahr werden mehr als 80 Personen Opfer dieser Gewalt, werden Lebensbedrohlich verletzt oder sterben sogar. Die ganze Angelegenheit scheint Hoffnungslos zu sein. Das Ende einer häuslichen Gewalt ist nicht absehbar. Wieso sollte sie auch ihr Ende finden? Stellen wir uns ein Mädchen vor bei dem es ein Verdacht auf häusliche Gewalt gibt. Die Schule und das Krankenhaus erstatten eine Anzeige bei der Polizei, doch die Familie streitet alles ab und sagen es sei ein Missverständnis. Wenn sie alles abstreiten, sind der Polizei die Hände gebunden und die Ermittlungen werden eingestellt. Das ist die Realität. Wie soll der Kontakt zwischen Opfer und Täter da noch reduziert werden? Wie soll es nach 24h ein Urteil geben? Halten sie das wirklich für möglich? Wir sollen uns lieber damit beschäftigen wie ermittelt wird, erst dann können wir bei einem Seminar realitätsnah über dieses Thema Gespräche führen. Finden sie nicht auch? Oder bin ich hier die einzige die realistisch denkt?" Sie rissen weit ihre Augen auf und waren sprachlos, jedoch stand ein Polizist auf und sagte mit empörten stimme: ,,Was denken Sie wer Sie eigentlich sind? Wollen Sie damit andeuten, dass die polizeiliche Ermittlungen nicht gut genug durchgeführt werden?" ,,Dient das Seminar nicht dem Austausch? Ich habe nichts gegen den Vortrag oder ihnen gesagt, sondern ihn lediglich gegen meiner Meinung ergänzt" Die Anspannung verbreitete sich wie ein Lauffeuer und der Oberrichter hustete kurz um ein weiterer Krieg, zwischen Richter und Polizisten, zu verhindern ,,Nun also, wenn es keine weitere Fragen gibt, beenden wir das Seminar. Danke das Sie hier waren" Stillschweigend standen alle auf und verliessen das Seminar.
Kaum im Büro angekommen, kam mein Chef völlig gestresst auf mich zu ,,Bist du von allen guten Geister verlassen worden? Was ist nur los mit dir? Weisst du nicht, dass Oberrichter und Polizisten ganz schön sensibel sind, bei solchen Vorträgen? Hast du überhaupt kein Gefühl dafür, wenn es mal gut wäre, einfach nichts zu sagen?" ,,Das heute war reiner Zeitverschwendung" sagte ich gelassen und setzte mich an meinem Arbeitsplatz hin ,,Was sagst du da?" ,,Man sagt doch, Zeit ist Geld. Heute habe ich sehr viel Geld verprasst" Er kam näher und mir fiel dabei auf, dass er sehr angespannt war ,,Ich sage dir eins, halte dich in Zukunft besser zurück, sonst bekomme ich wegen dir noch Ärger" Plötzlich klingelte sein Telefon. Als er nachschaute verlor sein rotes Gesicht an Farbe ,,Oh nein…Siehst du, was habe ich dir gesagt. Es ist der Oberrichter Buchs" er ging ans Telefon ,,Oh hallo Herr Oberrichter Buchs wie geht es Ihnen? Das war heute ein grossartiges Seminar gewesen, finden Sie nicht auch?" Er zwang sich regelrecht zu lächeln und ging aus dem Büro. ,,Arschloch" sagte ich leise und widmete mich weiter an die Arbeit. Ich und Herr Caron bearbeiten immer noch den langjährigen Fall von Sophie Ecksteiner. Wir vermuten, dass sie Opfer von häuslicher Gewalt ist. Sie liegt seit ein paar Wochen im Krankenhaus wegen ihren schweren Körperverletzungen und habe sie ständig vor meinen Augen. Dieser Fall gab mir keine Ruhe. Ein Assistent kam ins Büro und übergab mir ihre Unterlagen, die ich gebeten habe. Herr Caron kam auch gerade rein und setzte sich an seinem Schreibtisch, dass neben mir stand ,,Danke für die Unterlagen. Hat sie weitere Vorstrafen begangen?" ,,Nein, sie hat sich nur an die Bewährungsauflagen nicht gehalten" ,,Gut" der Assistent verlies das Büro und ich blätterte durch die Unterlagen nochmals durch. Herr Caron stand auf und schaute mich verwunderlich an ,,Sophie ist doch im Krankenhaus, wieso überprüfen Sie ihre Akten?" ,,Ich denke sie wird von ihrem Vater misshandelt" ,,Was? Hat sie ihn angezeigt? Was sagt die Polizei dazu?" ,,Sophie hat nicht vor ihren Vater anzuzeigen" ,,Und warum sehen Sie sich ihre Akte an? Das kann doch nicht ihr ernst sein" ich schaute ihn an ,,Wieso nicht? Ich sperre sie ein, wegen mehrere Verstösse gegen die Bewährungsauflagen und wegen ihre vorherigen Straftaten" Seine Gesichtszüge veränderten sich ,,Sie meinen das ernst" sagte er erschrocken ,,Aber sie ist das Opfer! Denken Sie nicht, dass wir das arme Mädchen beschützen sollen? Wie können Sie nur daran denken das arme Mädchen wieder ins Jugendheim einzusperren? Wenn sie ihren Vater nicht anzeigen möchte, müssen wir sie davon überzeugen" Ich schwieg und hörte auf weiter durch die Akte zu blättern. Plötzlich wurde er lauter ,,Wofür wollen Sie, sie den bestrafen?" ich seufzte genervt vor mich hin ,,Hören Sie mir mal zu. Ich bin für diesen Fall zuständig. Soll ich über ihre Straftaten hinweg sehen?" Er setzte sich langsam wieder hin und sagte leise ,,Das sage ich nicht, aber es wäre falsch sie zu bestrafen, bei dem was ihr alles passiert ist. Sie hat nur noch ihre Grossmutter und ihr Vater kann man nicht dazu mitzählen" ich schwieg und arbeitete weiter. Er sah mich enttäuscht an und schwieg. Plötzlich rief das Krankenhaus an und ich nahm den Hörer ab ,,Hallo Frau Richterin Elke, Sie sind doch die zuständige Richterin für Sophie Ecksteiner?" ,,Ja" ,,Ist sie vielleicht bei Ihnen? Weil sie ist nicht mehr im Krankenhaus und wir erreichen ihre Grossmutter nicht" Ich schloss die Augen und konnte es nicht fassen ,,Wir werden sie suchen und werde mich bei Ihnen melden. Danke für die Information" ich legte auf und haute auf dem Tisch ,,Verdammte Scheisse!" ,,Was ist passiert?" fragte Herr Caron eingeschüchtert ,,Sophie Ecksteiner ist verschwunden. Wir müssen sie suchen, wer weiss Gott wozu ihr Vater imstande ist"
Ich und Herr Caron machten uns auf dem Weg und fingen mit der Suche an mit Hilfe der Polizei. Anhand von den folgenden Informationen, die wir vom Jugendheim erhielten, haben wir an denen Orten gesucht, an denen sich Sophie normalerweise aufhält. Es vergingen Stunden und befürchteten, dass ihr Vater sie geholt hat. Verzweifelt schaute ich mich um und hoffte, dass unsere Befürchtungen der Wahrheit entspricht. ,,Frau Elke! Ich hab sie gefunden!" Schrie Herr Caron. Wir fanden sie in einer verlassenen Klinik, an dem Ort, als vor 4 Jahren der Fall anfing. An dem Ort, als die Polizei sie bewusstlos fand. Sie sass weinend auf dem Boden und ihre Kleider war mit Blut befleckt ,,Sophie! Um Gotteswillen was ist passiert?" Herr Caron zog seine Jacke aus und legte es ihr auf dem Rücken ,,Du bist ja…voller Blut. War das dein Vater?" schlucksend schaute sie auf ,,Wieso ist mein Leben so ätzend? Ich wollte doch nur etwas Geld und ein anständiges Leben führen, aber ich komme da einfach nicht mehr aus dieser Hölle raus" Ich stand angewurzelt vor ihr und Herr Caron versuchte sie mit seiner sanften Stimme zu beruhigen ,,Sophie hör mir zu, wir wollen dir helfen, aber du musst zur Polizei gehen" sie schüttelte den Kopf ,,Aber was bringt das? Es macht doch gar kein Unterschied" ,,Doch gibt es. Entziehung des Sorgenrechts und Kontakt verbot. Wir können dafür sorgen und du kannst in einer Schutzunterkunft ziehen" ,,Ich will das alles nicht mehr. Wieso muss ich immer von Zuhause weg? Ich habe Angst, ich kann keine Anzeige gegen ihn machen, er wird mich dafür umbringen" Ich kam näher auf sie zu und schaute sie streng an ,,Und wenn du schweigst, denkst du es wird besser? Was wäre dann die Lösung? Läufst du wieder von Zuhause Weg und brichst gegen das Gesetz? Weisst du wie viele Menschen auf der Suche nach dir waren?" Herr Caron sah mich geschockt an und sagte leise ,,Aber Frau Elke…" Sie hörte auf zu weinen und sah mich hilflos an ,,Gut, wenn du nicht willst benachrichtige ich jetzt die Polizei" ich nahm mein Handy hervor und sendete eine Nachricht ,,Aber Frau Elke ich hab doch nichts getan bitte!" flehte sie mich an und klammerte sich an meiner Jacke ,,Es ist schon zu spät Sophie. Du wirst mir dafür noch danken."
Am nächsten Tag fand die Gerichtsverhandlung statt. Ich sass am Gerichtspodest und blickte hinab zu Sophie, ihren Vater, hinter ihnen die Grossmutter und ein Zeuge der Kriminalpolizei. Sophie starrte ins Leere und sass ganz still da. Ihr Vater hingegen verhielt sich desinteressiert und blickte aus dem Fenster. Ich atmete tief ein und fing an: ,,Dann werden wir jetzt mit der Verhandlung beginnen" ich schaute direkt ihren Vater an ,,Bei dieser Verhandlung geht es um den Vater von Sophie Elke, der auf meiner Anweisung in Gewahrsam genommen wurde. Da der Angeklagte unter Verdacht steht seine Tochter Misshandelt zu haben, wird eine Schutzanordnung erteilt. Die Anordnung beruht auf das Gewaltschutzgesetz. Ich bitte jetzt den Vater aufzustehen" er stand mühsam auf und schaute Sophie an ,,Wissen sie warum Sie hier sind?" ,,Ja" ,,Sagen Sie mir warum Sie hier sind" er grinste etwas und wandte sich zu mir ,,Wegen Häuslicher Gewalt" ,,Und Sie geben es zu?" ,,Ich musste es zugeben als ich befragt wurde, aber das ist völliger Blödsinn. Es war nichts, ich habe nur Sophie etwas Disziplin gezeigt auf meine Art" Ich schaltete den Biemer an, dass die Verletzungen von Sophie auf die leiwand projetzierte ,,Sieht das für Sie etwa aus einem Kind Disziplin beizubringen? Disziplin bedeutet moralische intellektuelle und soziale Unterweisung. Halten Sie das hier für etwas wozu ein Vater das Recht hat?" er war still und lächelte etwas. Sophie sah mich mit Tränen an ,,Das ist doch Verleugnung" fuhr er fort ,,Haben Sie den Beweise, dass ich das war?" Ich drückte auf die Taste, dass ein Dokument projetziert ,,Sehen Sie das? Das ist die Aussage, die ihre Tochter im Jugendheim geschrieben hat. Sie beschreibt genau, wie Sie ihr mit einem Baseballschläger geschlagen haben. Sie wollen Beweise? Hier haben wir ein Zeuge von der Kriminalpolizei, der diesen Fall ebenfalls behandelt hat. Er hat Sophie dafür beauftragt eine Aufzeichnung von Ihnen zu machen ohne, dass Sie es bemerkt haben. Wir spielen es Ihnen kurz ab" Die Schreie von Sophie, der dampfende Ton der Schläge und seine Drohungen waren unerträglich. Im Saal breitete sich mehr Traurigkeit und Hass aus. Sophie atmete schnell und kniff ihre Augen und die Grossmutter fing an zu weinen. Ich schaltete es ab. Plötzlich fing er an zu lachen ,,Wissen Sie, dass ich eine Anzeige erstatten wollte als meine Tochter weg lief? Aber man hat mich mit komischen Fragen bombardiert. Sie alle stecken ja unter einer Decke, das ist ja zum Kotzen" Er setzte sich hin und fuhr fort ,,Frau Richterin Sie wissen doch, dass dieses Mädchen sich prostituieren lies, deswegen las ich ihr die Leviten vor, dass war nur eine reine Disziplin-Massnahme eines Vaters. Was soll daran Falsch sein?" Ich war kurz Ruhig und ballte meine Fäuste. Ich versuchte mich zu beherrschen und krallte dabei meine Fingernägel in meiner Handfläche ,,Für Disziplin zu sorgen ist richtig" ich stand auf, lief die Treppen langsam hinunter und zeigte nochmals die Verletzungen von Sophie ,,Doch das hier, hat nichts mit Disziplin zu tun. Wissen Sie, es gibt eine Sache die ich nicht verstehen kann" ich näherte mich ihm und durchbohrte ihn mit meinen Augen, die mit Hass erfüllt waren. Als ich mich etwas runter beugte, lehnte er sich vorsichtig etwas zurück. Mit strenger und wütender Stimmte sagte ich ,,Warum sind Sie so ausserordentlich selbstgefällig?!" Er schluckte laut und bewegte sich verlegen auf dem Stuhl. Die Grossmutter sagte schmerzerfüllend ,,Das alles ist meine Schuld. Sophies Vater, mein Sohn ist genauso wie sein Vater. Sein Vater, hatte ihn furchtbar verprügelt als er noch ein Kind war. Ich hatte Sophie darum gebeten ihn nicht anzuzeigen, ich hatte sie darum gebeten es niemandem zu sagen was er getan hat. Ich wollte nicht, dass sie auch noch ihren Vater verliert. Ich bin an allem schuld, es tut mir so leid, dass ich ihn nicht richtig erzogen habe Frau Richterin. Es tut mir leid, dass er ein Monster ist. Es tut mir leid!" sie wischte sich ihre Tränen weg und der Vater blickte zu ihr hinüber ,,So ist das also. Du hast mich Verraten du alte Schachtel" ich setzte mich wieder zurück und schaute kurz Sophie an. Dabei bemerkte ich kurz, dass meine Hände bluteten. Als ich einen kurzen Blick darauf warf, dachte ich kurz nach. Sophie senkte ihren Kopf so, als würde sie jetzt bald einen Gnadenstoss von mir bekommen. Ich ballte nochmals meine Fäuste und schaute auf ,,Es vergeht folgendes Urteil. Nach Artikel 122 und 123 im Strafgesetzbuch über die Bestrafung von Kindesmisshandlung, wird dem Täter 1 Jahr untersagt sich dem Opfer zu nähern. In diesem Zeitraum darf der Täter die Wohnung nicht mehr betreten und auch nicht mehr den Kontakt zum Opfer weiterführen. Ihnen wird das Sorgenrecht entzogen, daraufhin werden Sie 200 Sozialstunden absolvieren" ,,Aber…" ,,Sollte es Notwendig sein, wird die Dauer der Schutzordnung verlängert und die Staatsanwaltschaft wird Sie in Gewahrsam nehmen!" Der Vater wurde kreidebleich im Gesicht und Sophie rannte zu ihrer Grossmutter und umarmte sie weinend. Ich fuhr fort ,,Die Tatsache, dass Sie Opfer Häuslicher Gewalt waren, bedeutet nicht, dass Sie das gleiche an ihrer Tochter und Mutter an tun dürfen. Ihre Handlungen waren eine Straftat, ob man als Vater handelt oder als Sohn ist dabei unerheblich." Er senkte seinen Kopf und schwieg. ,,Es geht nur um die Frage ob es Gewalt war oder nicht!" Ich stand auf ,,Die Verhandlung ist hier mit geschlossen" Die Grossmutter und Sophie schrien weinend vor Erleichterung auf, als der Vater mit Handschellen von der Polizei aus dem Gerichtssaal rausgeführt wurde. Ich ging auf Sophie und ihre Grossmutter zu, hielt ihre Händen und sagte leise ,,Es ist alles gut. Er wird sie zwei nie mehr begegnen. Der Fall ist endlich zu Ende" Sophie umarmte mich schlucksend ,,Frau Richterin Elke….Ich…Ich danke Ihnen. Ich werde nie mehr wieder gegen das Gesetz brechen, dass schwöre ich Ihnen hoch und heilig!" zögerlich erwiderte ich ihre Umarmung und sagte leise ,,Dafür sind wir doch Jugendrichter da. Es ist endlich vorbei"
Die Schuld wird immer dem Kinder gegeben, doch wer kann ihnen eine Chance geben? Das können nur wir Richter und deswegen ist unsere Arbeit so wichtig, weil es unsere Pflicht ist. Aus diesem Grund bin ich Jugendrichterin geworden. Bestraft werden, die jungen Täter, aber meistens trifft es die anderen noch viel mehr. Ich stelle mir immer die Frage: Haben wir heute, die Richtige Strafe verhängt? Hat die Strafe, dem Opfer Vergeltung gebracht? Bereuen die Täter ihre Tat? Nach dem Fall eines Urteils ist es vorbei und es geht weiter. Das ist unsere Arbeit.
Ende