In Bezug auf die Thematik der KI hat mir gefallen, dass sich Shion schlussendlich aus den Händen des Privatkonzerns emanzipiert, welcher ihr rechtlicher Eigentümer ist. Zumindest versteht der Film auf einer gewissen Ebene, dass solche Technologien der Menschheit dienen sollen, nicht der Profitmaximierung.
Was ich hingegen eher creepy finde, ist die Tatsache, dass Satomi unbemerkt jahrelang von Shion ausspioniert wurde, ein solch radikaler Einbruch der Privatsphäre jedoch als liebevoll verkauft wird. Solange man einer KI die "richtige" Zielfunktion einprogrammiert (mach Satomi glücklich!), wird schon alles gut kommen, oder? Wenn es doch nur so einfach wäre… Selbst wenn wir annehmen, dass Shion selbst niemals missbräuchlich handeln sollte, besteht immer noch die akute Gefahr, dass so Drittpersonen Zugang zu sensiblen Daten gewährleistet wird.
Ebenfalls kritisch sehe ich, dass die KI dem Menschen gleichgestellt, im Grunde genommen sogar ein überlegener Status zugeteilt wird. Die Jugendlichen sehen in Shion ein gleichrangiges Mitglied ihrer sozialen Gruppe, und zum Schluss erreicht Shion sogar (symbolisch wie auch buchstäblich) den Himmel—nun aber zusätzlich mit den Überwachungskapazitäten eines Satelliten ausgestattet. Überwachungstechnologie als Schutzengel des Menschen: Einer solch rosaroten Zeichnung von KI stehe ich doch etwas skeptisch gegenüber. Ich glaube nicht, dass Mustererkennungsmaschinen mit Gesangsfunktion wie Menschen behandelt werden sollen, auch wenn man ihnen ein noch so attraktives Äusseres verleiht. Denkt man ein solches Verhältnis zu Technologie zu Ende, gelangt man schnell in eine Welt, in der einem "intelligenten" selbstfahrenden Sportwagen mehr Wert zugesprochen wird als den Insassen eines altmodischen Familienwagens. Bei bevorstehendem Aufprall wird die KI dementsprechend Prioritäten setzten.
Besser gefallen hat mir übrigens der neuste Roman von Kazuo Ishiguro, Klara and the Sun, welcher eine sehr ähnliche Prämisse über eine Freundschaft zwischen Androiden und Jugendlichen aufweist. Mit Feingefühl und minimaler Exposition wird hier eine glaubhafte Dystopie gezeichnet, welche auch auf die Gefahren emergenter Technologien eingeht, ohne jedoch die KI grundsätzlich zu verteufeln. Ganz im Gegenteil: Genauso wie Shion wird auch Klara in einem positiven Licht gezeichnet, allerdings um einiges nuancierter, sodass ich am Schluss nicht das Gefühl hatte, es handle sich um eine Reklame für die Posthumanisten des Silicon Valley. (Okay, vielleicht etwas herb ausgedrückt, so schlimm fand ich den Film jetzt auch nicht :p)