Es gibt gute und sehenswerte Anime-Filme, die grossen Spass machen und ein Riesenerfolg sind (à la Your Name). Es gibt verdammt gute Anime-Filme, die echt schön aussehen und einen emotional berühren (à la A Silent Voice).
Und dann gibt es "In this corner of the world", ein Anime, der in einer eigenen Liga spielt.
Ein Spielfilm, der für das ganze Genre Anime enorm wichtig ist. Ein Film, der mit gut Glück nur einmal alle zehn bis zwanzig Jahre daherkommt, wenn überhaupt.
"In this corner of the world" spielt in Hiroshima und der Nachbarstadt Kure in den Vorkriegs- und Kriegsjahren des zweiten Weltkriegs. Es erzählt die Geschichte von Suzu Urano, einem verträumten Mädchen, die zu einer jungen Frau wird und einen fremden Mann heiratet. Sie beginnt ihr Leben in der neuen Familie als Hausfrau zu meistern. Wir begleiten Suzu dabei, wie sie sich einen praktischen Arbeitskimono zurecht schneidert, wie sie mit am Wegesrand gesammelten Gräsern die Süsskartoffel- und Reismenüs aufpeppt, wie sie sich mit ihrer super strengen Schwägerin auseinandersetzen muss oder wie sie sich gegenüber ihrem Ehemann allmählich öffnet. Wir schmunzeln mit, wenn Suzu sich teils schusselig anstellt und sind froh, wie sie die angetroffenen Schwierigkeiten mit ihrer aufgestellten Frohnatur irgendwie meistert...
Klingt unspektakulär, und ist es irgendwo durch auch ein Stück. Nur spielt die Handlung zu einer Zeit, wo der Krieg immer näher rückt: Die Lebensmittel werden ständig knapper, es beginnen nach einer ruhigen Zeit plötzlich Luftangriffe, die von Woche zu Woche heftiger werden und alle Menschen auf die Probe stellen. Kommt noch hinzu, dass der Countdown für den Abwurf der A-Bombe und dessen desaströse Folgen unaufhörlich tickt.
Gerade Letzteres wissen wir Zuschauer nur allzu genau, und wir wollen am liebsten die von uns lieb gewordenen Figuren vom Schlimmsten bewahren und die naiv kindliche Unschuld von Suzu beschützen, aber wir können nicht. Der Film, basierend auf einer gleichnamigen dreiteiligen Mangavorlage von Kôno Fumiyo, will das nicht. Er nimmt unsere Emotionen als Geisel. Wir müssen hilflos miterleben, wie die zunächst fröhlich-sentimentale und mit viel Romantik versehene Geschichte im Verlauf des Films immer dramatischere Züge annimmt und droht, auch den letzten Funken Hoffnung auf ein Happy End zu löschen.
Wenn das Unausweichliche geschieht und das Kriegsende verkündet wird, dann ist Suzu für einen kurzen Moment am Boden zerstört. Die Szene ist ein Schlag in die Magengrube und eine brutale Mahnung, wie verdammt effektiv ein Anime mit den Emotionen des Zuschauers umgehen kann, ohne kitschig sein zu müssen. Und am Ende geht das Leben eben doch weiter. Der Film entpuppt sich als eine Ode an das Leben selbst.
Es gibt eine Zeit vor dem allerersten Schauen von "In this corner of the world" und eine Zeit danach. Ich bin froh, in der Zeit danach zu sein.
In drei Jahren 15+ Mal gesehen - ich bereue keine Sekunde davon.
- Gewinner des Hiroshima Peace Film award
- Gewinner des besten japanischen Films von Kinema Junpo.
- Jury Preis des internationalen Animationsfestival Annecy
... und noch drei Dutzend weiterer Auszeichnungen.
Animation von Studio Mappa: Schlicht und ergreifend schön zugleich.
Regie von Sunao Katabuchi: Exzellent.
Musik von Kotoringo: H e r v o r r a g e n d !
Mein persönliches Fazit:
Der bei weitem beste Animefilm der letzten zwanzig Jahre. Ein einmaliges Juwel.
10/10.